Volume 1

Lehrbuch der Anatomie des Menschen / von August Rauber.

  • August Rauber
Date:
1892-1894
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Credit: Lehrbuch der Anatomie des Menschen / von August Rauber. Source: Wellcome Collection.

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    erreiclieu sei, dass dagegen die Willkür, die ungezügelte Phantasie und die Oberflächlichkeit den Wegen des Irrtums verfallen seien. Als derjenige, der auf diese uns jetzt so selbstverständhch erscheinende Wahrheit nachdrücklich zum erstenmale hinwies, ist Hippokrates zu bezeichnen, welcher überhaupt für die Entwicklung der gesamten Medizin von hervorragender Bedeutung war und als Yater der Medizin verehrt wird. Er wurde 460 v. Chr. auf der Insel Kos geboren und starb zu Larissa 377 v. Chr. Er war ein Sprösshng einer alten Asklepiaden-Eamilie, die auf der Insel Kos ihren Sitz hatte und ihren Ursprung bis Asklepios und Herakles zurückverfolgte. Schon der Grossvater und Vater hatten sich durch ärztliche Tüchtigkeit ausgezeichnet. Anfangs den Unterricht seines Vaters geniessend, begab sich Hippokrates darauf zu seiner weiteren ärztlichen Ausbildung nach Athen, wo er Anregung und Belehrung von den verschiedensten Seiten empfing. Stand doch damals Athen in jenem berühmten Zeitalter des Perikles, welches die Welt mit unvergänglichen Werken der Kunst und Wissenschaft beschenkte. Hippokrates hatte hier Ge- legenheit, im Umgang mit hervorragenden Ärzten und Philosophen sich zu vervollkommnen und bald eine angesehene Stellung zu erringen. Eine Menge von Schülern versammelte sich um ihn, welche sich unter seiner Leitung zu tüchtigen Ärzten heranzubilden hofiten. Die Bedeutung des Hippokrates wurde femer von den Berühmtesten seiner Zeitgenossen anerkannt. So vergleicht ihn Piaton mit Polj^kleitos und Phidias; Aristoteles nennt ihn den „grossen Hippokrates. Die Zahl seiner Schriften ist eine sehr beträchtliche. Mit den Werken anderer Mtglieder seiner Familie wurden dieselben von seinen Nach- kommen aufbewahrt und dienten zum medizinischen Unterricht. In ihrer heutigen Gestalt enthält jedoch die unter dem Namen des Hippokrates be- kannte Sammlung medizinischer Schriften neben einer grossen Zahl von ihm selbst und seinen nächsten Verwandten verfasster Abhandlungen eine nicht geringe Zahl von solchen, die von anderen Autoren herrühren und daher pseudo-hippokratische Schriften genannt werden. Auf dem Gebiete der Anatomie selbst hat Hippokrates, abgesehen von dem erwähnten Umstände, dass er sie wie die Medizin von mj-stischen Banden be- freite und auf den Boden der Erfahrung stellte, nichts weiter geleistet. Die in den genannten Schriften enthaltenen, gelegentlich eingestreuten anatomischen Bemerkungen gründen sich ferner wesentlich auf die Zergliederung von Tieren; nur die Knochen machen davon eine Ausnahme. Um Beispiele zu geben, so kannte man die Deckknochen des Schädels, deren Diploe und Nahtverbindungen. Die Muskulatur geht in dem allgemeinen Begriffe der Fleischteile auf. Die Leber ist das Organ der Blutbereitung. Von ihr und der Milz gehen die Ge- fässe aus. Die Luft gelangt durch die Luftröhre und Lungen zum linken Herzen und verteilt sich von da als Pneuma. Über den Darm bestehen noch unbestimmte Vorstellungen. Nerven, Sehnen und Bänder haben noch gemein- same Bezeichnungen. Das Gehirn wird bei manchen Hippokratikern bereits als Sitz des Denkens und Empfindens angesehen, während es von anderen als Sammelort von Schleim betrachtet wird. Unsere ersten historischen Nachrichten über die Anatomie und Medizin im Altertum reichen indessen noch etwas weiter zurück. Denn schon vor der